16:9

Viel einschneidender für mein Leben aber ist die Tatsache, dass die WM im kommenden Jahr im 16:9 Format ausgestrahlt wird. 16:9 auf einem Fernsehgerät mit 35 cm Bilddiagonale, Poldis Tore im Taschenformat, kleine zweifarbige Balken, die über den Bildschirm huschen. Das erinnert an Onkel Ls Videospiel Ende der 70er: graue Balken, die Tennisspieler nebst Tennisarm und Tennisschläger symbolisierten, waren mit einem Joystick (vielleicht waren es auch Cursortaten) über eine hellgraue Fläche zu bewegen, der Ball war als mittelgrauer Punkt zu erkennen.

Die vielen Grautöne könnten in dem nicht vorhandensein eines Farbfernsehers begründet liegen, obwohl Onkel L ein vergleichsweise fortschrittlicher Mensch war. Ich musste noch Anfang der 80er im elterlichen Heim das mit dem Atari ausgelieferte Air-Sea-Battle und das sorgsam vom Taschengeld abgesparte PackMan auf einem Schwarzweißfernseher spielen. Erst Smurf und Popey konnte ich auf dem neu erworbenen Loewe Farbfernsehgerät genießen. Dann verließ mich glücklicherweise die Lust am Videospiel.

Das wunderbare Farbfernsehgerät verließ meine Eltern erst vor ein paar Jahren. Es wollte mich hinterlistigerweise mit in den Tod nehmen, aber meine feine Nase arbeitete auch im Schlaf: Ich war zu Besuch und entschied den Samstag Abend bei Wetten Dass und dem aktuellen Sportstudio zu verbringen. So gegen Ende der letztgenannten Sendung fiel ich in einen leichten Schlaf. Das Farbfernsehgerät nutzte die Gunst der Stunde, erhitzte sich übermäßig und begann, lodernde Flammen auszustoßen. Zu meinem Glück hatte es zuvor den Geruch verbrannten Plasiks im Zimmer verströmt, der mich hochschrecken und zur Steckdose rennen ließ. Ich zog den Netzstecker löschte das Feuer und war etwas enttäuscht, denn gerne hätte ich noch den nachfolgenden Film gesehen, jetzt wo ich hellwach nicht wieder in den Schlaf finden konnte.

Nun gut, zurück zum Ausgangspunkt: Ich habe eine Spardose neben mein kleines Fernsehgerätchen gestellt und werde jedesmal, wenn ich den Einschaltknopf betätige, eine Münze in den Schlitz des Sparschweins werfen, in der Hoffnung pünktlich zum Eröffnungsspiel ausreichend finanzielle Mittel zum Kauf eines riesengroßen 16:9 LCD-Gerätes zur Verfügung zu haben.

Wir sind Kanzler

Nachdem die Bild uns zum Papst machte (was ich als ehemals fleißiger Ministrant nur begrüßen konnte), Alice Schwarzer bei Beckmann ins schwärmen geriet und der Kommentator weiter unten "Habemus Angie" ausrief, bleibt mir mit einiger Verspätung diese Feststellung.

Ostdeutsch, Frau, wenig massenkompatibles Äußeres. Kaum jemand in dieser Republik kann von sich behaupten, dass nicht wenigstens eines dieser in voller Kombination auftretend wenig werbewirksamen Attribute auf ihn zuträfe. Endlich ist von jedem etwas und für jeden etwas dabei!

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